Armin Laschet ist neuer CDU-Chef. In seiner Heimat wirft das Fragen auf: Wann geht er nach Berlin? Und wer folgt ihm als Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident?
Auch in Nordrhein-Westfalen, dem Land, das Armin Laschet regiert, ist mit seiner Wahl womöglich nur der erste Stein in einem Dominospiel gefallen. Viele weitere Steine könnten folgen, jede Entscheidung hätte Auswirkungen auf die nächste. Es geht um Posten und Ämter, um Chancen und Optionen, um potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger. Es ist ein Spiel, das noch einige Monate weitergehen könnte.
»Es hängt alles mit allem zusammen«, sagt ein CDU-Landespolitiker. »Fest steht nur, dass es in der CDU gerade nicht langweilig wird.«
Laschets To-do-Liste ist voll. Als Landesvater steckt er mitten im Corona-Management, am Dienstag steht die nächste Konferenz mit den anderen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel an. Neben seinem neuen Amt als Bundesvorsitzender wird Laschet vorerst Chef der NRW-CDU bleiben, des größten und wichtigsten Landesverbands der Partei.
Wahl zum CDU-Vorsitz
Bundes- und Landeschef in Personalunion? Von der Satzung her sei das in Ordnung, teilt die CDU in NRW mit. Laschet, der Mann der tausend Aufgaben. Und der tausend offenen Fragen.
Wird er Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl? Strebt er ein Bundestagsmandat an? Wechselt er nur als Kanzler von Düsseldorf nach Berlin? Oder auch als Minister? Oder als Oppositionsführer, falls die CDU nicht der neuen Bundesregierung angehört? Wer folgt auf Laschet als Ministerpräsident? Und als Landesparteichef? Willkommen im Laschet-Domino.
In Laschets Umfeld ist man sich der kniffligen Situation durchaus bewusst. Es wird ein Kunststück, die kommenden Monate zu organisieren, alle Entscheidungen zu moderieren.
Er möchte so lange wie möglich Ministerpräsident bleiben, das hat Laschet bereits klargemacht. Bei einem digitalen Treffen der CDU-Ruhr wurde er kürzlich gefragt, wann genau er von Düsseldorf nach Berlin wechseln wolle. Er werde »in die Bundestagswahl gehen«, sagte Laschet, »wie das 70 Jahre lang Tradition in der Bundesrepublik war: natürlich als Ministerpräsident«. Dann zählte er Beispiele auf von Kanzlern, die zuvor Ministerpräsidenten gewesen waren: Kiesinger, Brandt, Kohl, Schröder.
Als Martin Schulz 2017 als SPD-Kandidat den Bundestagswahlkampf ohne Regierungsverantwortung bestritt, interessierte das kaum jemanden. Für Laschet war das ein abschreckendes Beispiel. Er ist der Meinung, dass ein Wahlkampf ums Kanzleramt nur dann erfolgreich ist, wenn er täglich zu jenen Fragen Stellung bezieht, beziehen muss, die das Land umtreiben. Es ist vermutlich die richtige Strategie, vor allem in einer Pandemie.
Laschet möchte sich alle Optionen offenhalten, auch die für eine mögliche Heimkehr nach Düsseldorf. Er kann sich auch vorstellen, als Ministerpräsident weiterzumachen, falls er als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl durchfallen sollte. Mit solch einer Hintertür hat allerdings mancher schon schlechte Erfahrungen gemacht. Erinnert sei an Norbert Röttgen, Laschets Konkurrenten im Kampf um den CDU-Vorsitz. Der hielt sich als CDU-Spitzenkandidat in NRW die Rückkehr nach Berlin offen, wo er Umweltminister war. Er verlor die Wahl – und die Kanzlerin warf ihn aus dem Kabinett. Ein Vorgänger Laschets als Ministerpräsident dagegen, der SPD-Politiker Johannes Rau, kehrte als geschlagener Kanzlerkandidat einfach nach Düsseldorf zurück.
So oder so bringen die vielen Türen, durch die Laschet nun gehen kann und durch die er auch wieder zurückkehren könnte, seine CDU in Nordrhein-Westfalen ziemlich in die Bredouille. Seit fast einem Jahr laufen in der Landespartei die Planspiele für die Zeit nach Laschet. Der erste Anwärter auf seine Nachfolge als Ministerpräsident ist Hendrik Wüst, der zurzeit noch Verkehrsminister im Kabinett in Düsseldorf ist. Wüst hat ein Landtagsmandat, was in Nordrhein-Westfalen eine Voraussetzung dafür ist, Ministerpräsident zu werden.
Übernimmt Wüst auch den Landesvorsitz von Laschet? Wenn ja, wann? Oder ist die Partei in NRW besser beraten, einen Übergangsvorsitzenden zu wählen?
Opposition wittert »Teilzeit-Ministerpräsidenten«
Zunächst hieß es, der Landesparteitag, auf dem die Nachfolgerin oder der Nachfolger Laschets gewählt werde, finde kurz nach dem Bundesparteitag statt. Inzwischen hat die CDU in NRW entschieden, erst im Frühjahr zusammenzukommen. Der offizielle Grund: Man müsse in Präsenz tagen, heißt es, für einen digitalen Landesparteitag fehle das Personal. Der inoffizielle Grund: Die Verzögerung hilft Laschet, sie gibt ihm Zeit, erst mal die K-Frage mit der CSU und Markus Söder zu klären.
Alles recht kompliziert.
Noch ein bisschen komplizierter wird es, weil in Nordrhein-Westfalen 2022 die Landtagswahlen anstehen. Man könne nicht erst nach der Bundestagswahl im Herbst mit den Planungen dafür beginnen, sagt jemand aus dem Landesvorstand. Die Entscheidungen über den Landesvorsitz und die Spitzenkandidatur müssten früher fallen.
Nicht allen in der nordrhein-westfälischen CDU wird es gefallen, dass die Landespartei monatelang auf Laschets Ambitionen Rücksicht nehmen muss. Allerdings ist es nach seinem Sieg am Samstag unwahrscheinlich, dass er schnell Gegenwind aus der Heimat zu spüren bekommt.
In Düsseldorf überwiegt bei den Christdemokraten der Jubel. Gleichzeitig weiß man, welchen Angriffen Laschet ab jetzt ausgesetzt ist, dass er von nun an unter noch schärferer Beobachtung steht als schon in den vergangenen Wochen und Monaten. Er wird ein Regierungschef auf Abruf sein. Für die CDU im Landtag ändere sich mit Laschets Wahlsieg »gar nichts«, betont Fraktionschef Bodo Löttgen demonstrativ gegenüber dem SPIEGEL. Laschet werde »natürlich weiterhin Mitglied der Fraktion« sein und »in Düsseldorf Rede und Antwort stehen«.
Die Opposition sieht das natürlich anders. Das Risiko sei groß, sagt SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty, dass die Arbeit der Landesregierung und ihr Corona-Management »mit einem Teilzeit-Ministerpräsidenten, der in großen Teilen in Berlin gebunden ist, noch chaotischer« werden. Der Richtungsstreit in der CDU sei nicht entschieden, Laschet habe mit etwas mehr als 50 Prozent der Stimmen nur knapp gewonnen. Der Ministerpräsident stehe vor einer »großen Dauer-Herausforderung in der Partei«, sagt Kutschaty dem SPIEGEL, »das wird viele Kräfte binden, die hier in Nordrhein-Westfalen dringend gebraucht werden.«
Es sind Worte, die Joachim Stamp vom CDU-Koalitionspartner FDP nur ein müdes Lächeln abringen. Wegen der Mehrfachbelastung, die da womöglich auf Laschet zukommt, mache er sich keine Sorgen, sagt der stellvertretende Ministerpräsident dem SPIEGEL. »Unsere Koalition ist nicht allein auf den Ministerpräsidenten ausgerichtet, und bei aller Bescheidenheit: Dass Armin Laschet nun Kanzlerkandidat werden könnte, hat auch mit der FDP und unserer Arbeit in Düsseldorf zu tun.« Außerdem: Mit Laschet als CDU-Chef werde Nordrhein-Westfalen »an Einflussmöglichkeiten im Bund gewinnen«.
Stimmt. Als CDU-Vorsitzender sitzt Laschet jetzt im Koalitionsausschuss der Bundesregierung. Mit ihm hat die Partei nun einen Chef aus Aachen, der als Ministerpräsident auch immer die Belange seines Bundeslands berücksichtigen muss. Mit Jens Spahn hat die CDU einen Vizevorsitzenden aus Ahaus und mit Ralph Brinkhaus einen Fraktionschef im Bundestag aus Wiedenbrück.
Bei allen Fragen, die gerade noch offen sind, ist zumindest das schon mal klar: Die NRW-isierung der Christdemokratie hat eine neue Stufe erreicht.
Δεν υπάρχουν σχόλια: